Dienstag, 30. November 2010

Linke Spießer

Hector saß mal wieder im Zug. Hector fährt sehr häufig Zug, genau genommen täglich. Hector gehört nämlich zu jenen Millionen armen Seelen, die zu ihrem Job pendeln müssen oder wollen. Hector aber war schon seit seiner Kindheit immer gerne mit dem Zug unterwegs, daher macht ihm das alles nichts aus. Außerdem kann Hector im Zug viele tolle Sachen machen: Schlafen, Musik hören, Lesen, Leute beobachten, Gesprächen lauschen, etc.
Mit den meisten Mitreisenden hat Hector keine Probleme, solange diese ihn in Ruhe lassen. Es gibt allerdings eine Spezies von Pendlern, die Hector abgrundtief hasst und für die er schon diverse körperliche Bestrafungsmaßnahmen im Geiste durchgeführt hat - die Klapprad-Öko-Pendler (im Folgenden mit KRÖPS abgekürzt).

Phänotypisch unterscheiden sich die einzelnen Vertreter kaum. Allen gemein ist ein unfassbar hässliches Klapprad, in der Regel sündhaft teuer. Getragen wird dazu wahlweise eine Jack Wolfskin, Schöffel oder Mammut Jacke. Auf dem Kopf sitzt ein ulkiger Fahrradhelm, der erstaunlicherweise während der kompletten Zugfahrt nicht abgesetzt wird. Das Einsteigen und die anschließende Platzsuche wird meist von einem ekelhaften, selbstzufriedenen Dauergrinsen begleitet. Sitzt er bequem und hat er sich vergewissert, dass das Klapprad gut gesichert ist, kann der KRÖP zum gemütlichen Teil übergehen. Dieser umfasst die Lektüre der taz, FR oder Ökotest und, und das ist ganz wichtig, den Verzehr des selbst mitgebrachten Abendbrotes. Anders als der Durchschnittspendler, der sich kurz vor Zugabfahrt noch schnell ein fettiges Pizzastück oder eine Käsestange kauft, sind KRÖPS total ausgefuchst und haben alles in ihrer Lederumhängetasche in drei Boxen schon vorbereitet.
Box eins beinhaltet das Vollkornbrötchen, Box zwei die klein geschnittenen Möhrchen und Gürkchen vom Bioladen Rübennase und Box drei den Apfel, gekauft in Sönkes Ökostübchen. Anstatt das Brötchen und das Gemüse zuerst zu verzehren und dann den Apfel, greifen KRÖPS dagegen immer abwechselnd in eine Box und legen das Nahrungsstück dann wieder rein, um in die nächste Box zu greifen. Total crazy, diese KRÖPS.

Würde sich der "Kontakt" mit KRÖPS auf den Zugverkehr beschränken, könnte Hector noch einigermaßen damit klar kommen. Leider muss Hector aber feststellen, dass dieses Gesindel in letzter Zeit auch häufiger auf Konzerten anzutreffen ist, meist durch ein Plattenreview im Feuilleton-Teil der abonnierten Tageszeitung angelockt ("Ey Malte, da kommt eine total coole neue Band aus England nach Darmstadt. Sag mal Eike und Britta Bescheid. Da gehen wir hin, war ja schon ewig nicht mehr auf einem Gig.").
Da diese hässlichen Menschen nur alle Schaltjahre mal ein Konzert besuchen, spielt sich dann meist folgende Szene ab:

Hector kommt mit seinen coolen Freunden in den Konzertraum, checkt die Lage, kauft ein Bier und stellt sich irgendwohin. Von hinten tippt ihm jemand auf die Schulter. Hector dreht sich um und denkt: "Leck mich am Arsch, ein KRÖP." "Äh, du, sorry. Willst du da stehenbleiben?" "Was?" "Ich mein, ich seh dann nichts mehr." "Und? Dann stell dich woanders hin." "Gibt´s denn sowas? Da geht man einmal auf ein Konzert..."

Dass KRÖPS solche Situationen mit körperlicher Unversehrtheit überstehen, ist nur Hectors besonnenem Charakter zu verdanken. Er lebe hoch!








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