"Und am 11.6. kommt ihr dann nach Mannheim und wir feiern den Aufstieg vom Waldhof", sprach G. zu seinen Begleitern in einem Wormser Biergarten, bevor die Weizengläser klirrend aneinander gestoßen wurden. Eine Stunde vorher hatte Yannick Stark mit seinem Schuss zum 2:1 die Lilienanhänger in kollektive Ekstase versetzt und dem südhessischen Verein das Tor zur 3.Liga ganz weit aufgestoßen.
Hector schluckte kurz. Er hatte aufgrund der in letzter Zeit häufigen Heim- und Auswärtsspielbesuche des Neu-Mainzers ganz vergessen, dass dieser ja auch noch Anhänger des Neanderthaler Vereins aus Hectors Heimatstadt war. Gegen einen Ausflug nach Mannheim hatte Hector nichts einzuwenden, einem Stadionbesuch sah Hector allerdings mit eher gemischten Gefühlen entgegen.
Hector kannte die Waldhof Szene aus früheren Zeiten nur zu gut und hatte relativ wenig Lust mit Mitgliedern des Adolf Hitler Fanclubs im gleichen Block zu stehen. Konnten sich doch in den 80ern, verstärkt in den 90ern und auch danach noch regionale Nazigrößen wie Christian Hehl (ehemals Deutschlands fettester Skinhead) und Wolfgang Benkeser ungehindert im damaligen H-Block tummeln und JN/NPD Propagandamaterial unter die Leute bringen. Dankbare Abnehmer gab es zur Genüge, da ein nicht gerade geringer Anteil der Szene mit rechtsradikalem Gedankengut offen oder heimlich sympathisierte. So kam es nach Heimspielen immer wieder zu Angriffen auf Punks, Migranten und das selbstverwaltete JUZ Mannheim.
Selbstverständlich kann nicht die komplettte Fanszene als rechtsextrem oder rassistisch bezeichnet werden. Aber, und das muss sich der Verein, die Vereinsführung und der Rest der Fans vorwerfen lassen, wurde dem Treiben keinerlei Einhalt geboten. Vom Verein kamen gebetsmühlenartig die Beteuerungen man habe kein Naziproblem, höchstens ein paar unpolitische Krawallmacher, die ab und zu über die Stränge schlagen und provozieren würden. Auch von Seiten der fitten Fans kam keinerlei Widerstand. Hehl und Konsorten waren akzeptiert und in die Szene eingebunden.
Gegenwind bekamen die Nazischläger nur zu Zweitligazeiten, wenn St.Pauli in der Universitätsstadt gastierte. So mancher Nazi fand sich neben seinem Mundschutz auf dem Boden wieder, dank engagierter St. Pauli Fans und örtlicher Antifas. [Nein, Hector ist kein St.Pauli Fan]. Auch bei früheren Duellen gegen Darmstadt geht Hector mal davon aus, dass einige Nazihools in ihre Schranken verwiesen wurden. [Hector ist ja noch nicht sooo lange Lilien-Fan].
Die letzten Jahre hatte Hector die Entwicklung des Vereins und seiner Fans nicht mehr weiter verfolgt und war daher sehr gespannt, was ihn erwarten würde.
Schon auf dem Weg zum Stadion begegneten Hector Menschen, deren sonstiger Aufenthaltsort viel Raum für Spekulationen ließ. Höhle? Bahnhofstoilette? Offener Vollzug? Erstaunlich waren aber auch die Massen an Menschen, die gen Stadion pilgerten. Mit letztendlich über 18.000 Zuschauern hätte Hector niemals gerechnet. Zeigt aber welches Potential dieser Verein noch immer besitzt. Das Spiel an sich war schnell entschieden, dank eines schwachen Gegners und einer abgezockt spielenden Heimmannschaft. Deren Fans hatten somit ausreichend Zeit sich und den Verein zu feiern. Dies geschah, muss Hector leider gestehen, auf recht eindrucksvolle Weise.
Verantwortlich dafür ist zum einen ein geschlossener Fanblock hinter dem Tor und zum anderen ein kompaktes und komplett überdachtes Stadion.
Auch ein abschließendes Feuerwerk und massiver Einsatz von Pyro taten ihr Übriges.
Wie sich die Fanszene heutzutage darstellt, kann Hector nicht wirklich beurteilen. Viel scheint sich aber bedauerlicherweise nicht geändert zu haben. Christian Hehl, fetter den je, umringt von Jugendlichen und völlig Hirnlose mit Leibstandarte und Horst Wessel Shirts sorgten bei Hector und seinen Begleitern für Fassungslosigkeit, aber auch dem guten Gefühl, Anhänger eines Vereins zu sein, bei dem solcher Abschaum mit sofortigen schmerzhaften Konsequenzen zu rechnen hätte bzw. erst gar nicht ins Stadion kommen würde.